Ostwestfälischer Turngau
Sonntag, 28.04.2024, 06:41:02
Bericht über das dritte Gauturnfest in Driburg am 13. Juni 1897

Vom schönsten Sommerwetter begünstigt feierte unser Gau am 13. Juni in Bad Driburg sein diesjähriges Gaufest. Es ist ein wichtiges Ereignis so ein Gaufest, eine große Prüfung, bei welcher der Gau in die Öffentlichkeit tritt und zeigt, wie treu er zusammen hält, wie Eintracht, Brüderlichkeit und treues Festhalten an der edlen Turnerei gepflegt wird.

Mit Bangem Zagen hatten wir dem Tage entgegengesehen, wo zum ersten Male ein kleiner und noch junger Verein es versuchte, ein Gaufest zu übernehmen. Der Driburger Turnverein hat die an ihn gestellte Aufgabe glänzend gelöst, denn jeder Teilnehmer wird mit Freude sich der schönen Stunden erinnern, welche er dort verlebt hat.

Mit Ausnahme der Turnvereine Warburg und Werl waren sämtliche Vereine der freundlichen Einladung gefolgt und erschienen. Die Driburger selbst hatten alles aufgeboten, um ihre Gäste würdig zu empfangen. Die Stadt hatte den so schön am Fuße der alten Iburg gelegenen Schützenplatz dem Turnverein zur Verfügung gestellt.
Die Stadt selbst prangte in schönstem Flaggenschmuck, auch waren verschiedene Ehrenbogen angebracht.

Am Vorabend des Festes gegen 8 Uhr trafen mit der Bahn die ersten fremden Turner, Gauturnrat, Kampfrichter und einige Wettturner, so gegen 40 Mann in Driburg ein und wurden am Bahnhof von den Driburger Genossen, an der Spitze ihr rühriger Vorsitzender, Herr Rektor Limberg, begrüßt.

Nachdem der Zug sich geordnet hatte, ging es unter Vorantritt des Trommler- und Pfeifer-Corps des Soester Turnvereins zur Schützenhalle, in welcher die Kampfrichtersitzung, der Commers und die Verteilung der Quartiere stattfand. An dieser Stelle sei nochmals allen Bürgern Driburgs für Überlassung der vielen Freiquartiere der Dank des ganzen Gaues ausgesprochen. Nach Ankunft in der Schützenhalle fand sofort die Sitzung der Kampfrichter statt.

Gauturnwart Rhode eröffnet dieselbe, er hieß im Namen des Gauturnrats die Kampfrichter herzlich willkommen, betonte unter anderem das schwere Amt eines Kampfrichters und forderte dieselben auf, am morgigen Festtage aus Liebe zur edlen Turnerei voll und ganz ihre Schuldigkeit zu thun.

Dann wurden die Kampfrichter an die verschiedenen Geräte verteilt, die Übungen besprochen und Meinungen ausgetauscht, wobei es oft zu heftigen Debatten kam. Inzwischen war als Gast der Gauvertreter des Lippischen Gaues, Herr H. Hinrichs erschienen. Rhode hieß denselben willkommen und bat ihn an den Beratungen Teil zu nehmen.
Herr Hinrichs dankte hierauf für den schönen warmen Empfang und sprach die Hoffnung aus, das morgige Fest möge dazu beitragen, das sich der Gau nach innen und nach außen befestige. Nachdem gegen 1/2 11 Uhr die Sitzung geschlossen war, wurde noch in die Beratung der Übungen, für das von beiden Gauen gemeinschaftlich zu feiernde Teutoburger-Wald-Fest geschritten. Als auch diese Sache erledigt war, ließ die Kapelle aus Holzminden ihre Weisen erschallen. In zwangloser Gemütlichkeit wurde nun manches Glas geleert; noch verschiedene Toaste ausgebracht, manch fröhliches Turnerlied gesungen, bis endlich die zwölfte Stunde zum Aufbruch mahnte.

Jeder suchte nun sein Quartier auf und bald lag alles im tiefsten Schlaf.

Herrlicher Sonnenschein und Trommeln und Pfeifen der Soester weckte am anderen Morgen die Turner zum Morgenspaziergang in die Anlagen des Bades oder in die umliegenden Berge.

Gegen 9 Uhr begann dann das Wettturnen im 6-Kampf, Reck, Barren, Pferd, Weithochsprung, Hangeln und Laufen mit Hindernissen. Hierzu traten 52 Turner an, welche in vier Riegen turnten. 15 Turner wurden Sieger, 25 Turner errangen mehr als 45 Punkte. Die unten folgende Tabelle gibt über Jede Leistung Aufklärung.
Wider Erwarten zog sich das Turnen bis 1 Uhr hin, so daß der Festzug auf 3 Uhr verschoben werden musste.
1/2 2 Uhr begann das Festessen, an welchem sich 150 Turner beteiligten. In längerer Rede hieß Herr Rektor Limberg namens der Stadt und des Driburger Turnvereins alle Gäste und Turner willkommen. Sein hoch galt dem Ostwestfälischen Turngau. An den leider durch Krankheit verhinderten Gauvertreter Herrn Dr. Schäfer wurde ein Begrüßungstelegramm abgesandt.

Nachdem der Magen in seine Rechte getreten, wurde auf dem Marktplatze der Festzug aufgestellt. Einen schöneren Festzug, 14 Vereine mit 13 Fahnen und gegen 300 Turner, hatte Driburg noch nicht gesehen. In strammem Turnerschritt bewegte sich der Festzug durch die Hauptstraße zum Bade, von da zurück durch die Allee zum Schützenhof.
Dieser hatte sich schon mit sehr vielen Festgästen gefüllt namentlich waren von Paderborn sehr viele herüber gekommen.
Um 4 Uhr begann der Aufmarsch und die Freiübungen, woran gegen 90 Turner teilnahmen. Die Übungen wurden von jedem zur vollen Zufriedenheit ausgeführt. Nur dürfte in Zukunft die Teilnahme eine größere sein. Beim Abmarsch belohnte reicher Beifall die Turner. An dem darauf folgenden Musterriegenturnen, beteiligten sich von 8 angemeldeten Riegen 7 Riegen. Die 4 besten Riegen erhielten eine Fahnenschleife und eine Urkunde. Bei dem nun folgenden Kürturnen konnte man beobachten, daß der Gau über eine große Zahl geschulter Kräfte verfügt.

Gegen 1/2 7 Uhr begann die Preisverteilung. Jeder Sieger im Wettturnen wurde mit einem Eichenkranz geschmückt und die Fahnen der besten Riegen mit einer Schleife. Aus den folgenden Tabellen sind die Sieger ersichtlich.

Nach der Preisverteilung wurde den Siegern ein dreifaches "Gut Heil" ausgebracht. Gauturnwart Rhode dankte zum Schluß allen denen, welche in hervorragender Weise für das Zustandekommen des Festes gesorgt hätten und schloß das III. Gaufest mit einem kräftigen "Gut Heil" auf die Deutsche Turnerschaft.

Ein wohlgelungener Ball beschloß das ganze Fest und mancher Turner verließ erst am andern Morgen Driburg. Ich schließe diesen Bericht mit dem Wunsche, daß das gefeierte Fest für unsern Gau von großem Nutzen sein möge. "Gut Heil"

Johannes Rhode

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 3, September 1897