Ostwestfälischer Turngau
Freitag, 26.04.2024, 10:58:40
Bericht über das Lehrturnen in Schwefe b. Soest am 20. und 21. August 1927

Für den 1. Bezirk des Ostwestfälischen Turngaues hatte der Gauturnrat einen Turn-Lehrgang in Schwefe festgesetzt. Der freundlichen Einladung des Gau-Oberturnwarts Pilger aus Paderborn waren die Turnwarte von 14 Vereinen mit rund 30 Turnern aus den Kreisen Lippstadt, Paderborn, Büren und Soest gefolgt. Nach der Verteilung der Quartiere begrüßte zunächst Gau-Oberturnwart Pilger die Erschienenen und stellte die Anwesenheitsliste fest. Dann begannen kurz nach 3 Uhr im Dierks'schen Turnsaal die Turnübungen. Die verschiedensten Uebungen wurden durchgenommen und besprochen. Neues, manchem vielleicht bisher Unbekanntes, wurde in gegenseitigem Austausch das Gemeingut aller. Nach dem Abendessen versammelten sich dann die auswärtigen Turner im Dierks'schen Saale zu dem theoretischen Teile des Lehrgangs. Hierzu hatten sich auch die Mitglieder des Schwefer Turnvereins und verschiedene Turnfreunde aus dem Dorf eingefunden. Nach einigen einleitenden Worten des Gauvertreters Meyer zu Köcker, Lippstadt begrüßte zunächst der Vorsitzende des Turnvereins Schwefe die Anwesenden. Darauf erhielt Herr Dr. med. Hahne das Wort zu seinem Vortrag über die Bewegungsvorgänge des menschlichen Körpers, die doch, theoretisch betrachtet, die Grundidee aller Körperübungen sein sollen. Diese Bewegungsvorgänge wies der Referent nach an den Knochen, Gelenken und Muskeln. Die letzteren bilden die Hauptmasse des Körpers und ermöglichen erst die Bewegung der einzelnen Körperteile zu einander. Ruhende Muskeln sind dem Körper ebenso schädlich als überangestrengte. Auch warnte der Redner vor Ueberanstrengung einzelner Muskeln.
Nur durch regelmäßiges Durchtrainieren aller einzelnen Muskelpartien, sowie durch Dauerleistungen, Schnelligkeitsübungen usw., wodurch Herz- und Atembewegungen in hervorragender Weise trainiert werden, kann ein dauernder Erfolg der Leibesübungen gesichert werden. Wir müssen also, so schloß der Herr Referent mit wohldurchdachten, physiologischen und anatomischen Grundsätzen an die Lösung des Problems der Leibesübungen herangehen.
Nur dann wird der Einzelne wie das Volksganze einen vollen Erfolg haben. Reichen Beifall zollte man dem Redner für seine Ausführungen. Darnach trat der gemütliche Teil des Abends in seine Rechte, der durch gemeinschaftliche Gesänge besonders angenehm verlief.

Für den Sonntag vormittag war eine kleine Wanderung vorgesehen, die aber leider des Regens wegen unterbleiben musste, darum wurde im Saale um so angestrengter gearbeitet. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, daß der Turner auch die sachgemäße Bezeichnung der Uebungen kennt. Gausportwart Richter zeigte dann noch einige vorbereitende Uebungen für das volkstümliche Turnen. Nach der Mittagspause marschierte die Turnerschar mit Gesang wieder zum Sportplatz, wo Gauspielwart Hönnemann mit ihnen noch einige neue Ballspiele übte. Leider musste, der vorgerückten Zeit wegen, hiermit abgebrochen werden. Zum Schluß der Tagung sprach Gauvertreter Meyer zu Köcker sehr eingehend über die Fassungskraft und Elastizität der Lunge und des Herzens, in dem er in tiefschürfender, gemeinverständlicher Weise die Forschungsergebnisse darlegte. Lebhaftes Interesse erregte auch die Bekanntgabe der Wirkungen der verschiedenen Sportarten auf die Fassungskraft der Lunge, wie sie mit Hülfe des Spirometers festgestellt sind. Auch diesem äußerst sprachgewandten und wissenschaftlich durchgebildeten Redner wurde mit reichem Beifall gelohnt. Nachdem noch einige geschäftliche Angelegenheiten geregelt worden waren, sprach Gau-Oberturnwart Pilger im Schlußwort seine volle Zufriedenheit über den Verlauf aus und dankte der Einwohnerschaft von Schwefe, die in zuvorkommender Weise Freiquartiere zur Verfügung gestellt hatte. - An den Vereinen wird es nun liegen, den Gewinn aus diesem Lehrgang zu ziehen. Manche neue Anregung hat er vermittelt.
Für die Turner waren diese Tage eine Zeit der Belehrung und Vertiefung in den Gedanken des deutschen Turnens.

Wiemer, Schwefe

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 131, September 1927