Ostwestfälischer Turngau
Samstag, 20.04.2024, 05:43:08
Bezirksturnfest in Neuhaus

Neuhaus, 15. August

Neuhaus, das alte mit der Geschichte Paderborns eng verknüpfte Städtchen, hatte am Samstag und Sonntag ein Festtagsgewand angelegt und hieß die Jünger des Turnvaters "Jahn" zum Bezirksturnfest herzlich willkommen. Aber nicht allein das Bezirksfest sollte gefeiert werden, man vereinigte zu gleicher Zeit auch damit das Fest des 40jährigen Bestehens des Turnvereins "Westfalia" Neuhaus. Nachdem am Samstag nachmittag eine Kampfrichtersitzung stattgefunden hatte, wurde am Abend ein großer Fackelzug veranstaltet. Unter den Klängen der Feuerwehrkapelle nahm der Zug zunächst seinen Weg zum Markt, woselbst die Mitglieder des Turnvereins "Westfalia" ein Fackelschwingen veranstalteten. Hierauf ging es weiter bis zur Kriegerhalle, wo ein

Festkommers

stattfand. Nach einem Prolog hielt Herr Thorn, der Vorsitzende von "Westfalia" die Begrüßungsansprache. Er hieß alle Gäste, besonders die Spitzen der Gemeinde- und Militärbehörde herzlich willkommen und endete mit dem Wunsche, daß der Turngedanke sich in Neuhaus immer weiter ausbreiten möge.
Sodann ergriff Gemeindevorsteher Adrian nach einigen Gesangvorträgen des Männergesangvereins "Cäcilia" das Wort zur Ehrung der im Weltkrieg Gefallenen. Seine lebhaften Ausführungen fanden im Herzen eines jeden Zuhörers Widerhall und für kurze Zeit sich von den Plätzen erhebend gedachte man der großen Helden. Nach einem weiteren Gesangsvortrag zeigte zunächst die Altersriege Turnübungen am Barren. Hierauf führten nacheinander die Jugend- und Männerriege ihre Leistungen vor. Von allem, was man zu sehen bekam, kann man nur sagen, daß die Vorführungen von vollendeter Exaktheit waren und dem Turnverein "Westfalia" alle Ehre machten.
Im Auftrage des Ostgaues nahm sodann Herr Meyer zu Köcker als Gauvertreter die Ehrung der Jubilare vor und begann seine Ausführungen mit dem Sprichwort: Turner sein heißt treu und deutsch sein. Diesen Spruch hat in 40jähriger, emsiger Tätigkeit der Turnverein "Westfalia" treu befolgt und hat wirklich tüchtige Turner herangebildet. Es gebührt daher allen denen, die von der Gründung an für den Verein gearbeitet haben und heute arbeiten, großer Dank. Zugleich soll auch der Wunsch ausgesprochen werden, daß man weiter im Turnverein "Westfalia" den Turngeist zu heben versteht und damit die deutsche Turnsache fördert. Es folgte dann zunächst die Ueberreichung der Ehrenurkunden an den Amtmann Kurz, Gemeindevorsteher Adrian, Amtsrentmeister Bee, Theodor Menke und Franz Schlenk. Den Ehrenbrief der Deutschen Turnerschaft erhielt der Vorsitzende des Turnvereins Neuhaus, Turnbruder Thorns. Von den Mitgliedern des Vereins "Westfalia" erhielten für 25jährige Mitgliedschaft Urkunden die Turner: Ertel, Langenstroer, Dickneite St., Dileker, Ochsenfarth, Becker und Vorderbrügge. Der Ehrungsakt wurde mit einem kräftigen 'Gut Heil' auf die Jubilare abgeschlossen. Zum Schluß einte alle noch lange Zeit ein gemütliches Beisammensein.

Der Sonntag

Der Weckruf am frühen Morgen kündete den Anbruch des Hauptfesttages an. Nach dem gemeinschaftlichen Gottesdienst traten um 8 Uhr zirka 300 Wettkämpfer auf dem Sportplatz an, um im friedlichen Wettkampfe ihre Kräfte zu messen. Hart war der Kampf um die Siegespalme, und die Kampfrichter hatten gewiß keine kleinen Aufgaben bei Bewertung der Uebungen zu leisten, da durchweg gute Leistungen geboten wurden.
Kurz nach Mittag war das Ringen vorbei, und man musste nun daran denken, durch ein kräftiges Mittagmahl für das leibliche Wohl zu sorgen.

Als kurz nach 2 Uhr mit der Aufstellung zum Festzuge begonnen war, zog ein schweres Gewitter herüber, und ein strömender Regen prasselte hernieder. Dadurch trat eine Unterbrechung ein, und erst nach 3 Uhr, nachdem der Regen sich in etwa gelegt hatte, formierte sich der

Festzug

und mit klingendem Spiel ging es zum Marktplatz. Hier richtete Gemeindevorsteher Adrian nochmals herzliche Worte der Begrüßung an die Turner und schloß seine Ausführungen mit einem kräftigen "Gut Heil" auf die Deutsche Turnerschaft.
Gauvertreter Meyer zu Köcker entrollte nochmals ein Bild über den Bestrebungen der Deutschen Turnerschaft, und sprach auch seinen Dank aus für die gastfreundliche Aufnahme in den Mauern Neuhaus'. Sein "Gut Heil" galt der Gemeinde Neuhaus. Dann nahm der Zug seinen Weg zum Festplatz

Die Abwicklung des Programms nahm auf der Sportwiese seinen Fortgang. Die weißgekleidete Schar der Wettkämpfer, voran die Banner, zog noch einmal auf, und unter Leitung des Bezirksturnwarts Vogt, kamen die allgemeinen Freiübungen zur Vorführung. Wie alle übrigen Darbietungen, verdienen auch diese Uebungen Worte der Anerkennung. Turnverein Jahn Paderborn wartete mit einigen Sondervorführungen am Reck, im Keulenschwingen, ferner mit Stab- und Freiübungen auf, die wegen ihrer korrekten Durchführung stürmischen Beifall ernteten. Punkt 6 Uhr erfolgte die

Preisverteilung

Der offizielle Teil hatte damit sein Ende gefunden. Bei Tanz und musikalischer Unterhaltung blieb man noch einige Stunden zusammen. Gegen Mitternacht schied man auseinander, im Bewußsein, in Neuhaus eine gastliche Stätte gefunden zu haben.

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 131, September 1927