Ostwestfälischer Turngau
Montag, 06.05.2024, 23:41:24
Teutoburger-Wald-Fest

Bei Gelegenheit unserer vorjährigen Gauturnfahrt zum Hermanns-Denkmal wurde die Wiederauflebung des vor 14 Jahren vom Minden-Ravensbergischen und Lippischen Gau gemeinschaftlich gefeierten Teutoburger Wald-Festes in Anregung gebracht. Im Juli 1897 beschlossen der Gauturnrat des Lippischen und unseres Gaues endgültig, dieses so schöne Fest in diesem Jahre wiederum zu feiern. Als Tag wurde der 15. August festgesetzt. Das Fest sollte bestehen in einem gemeinsamen Marsche zum Hermanns-Denkmal und einem Volkswettturnen in Dreisprung, Hochsprung, Steinstoßen, Stemmen und Laufen; als Sammelplatz wurde Detmold bestimmt, jedoch den Turnern freigestellt, auch auf anderen Wegen zum Denkmal zu gehen.
Das Fest ist am 15. August gefeiert worden und in allen Einzelheiten herrlich verlaufen.
Es begann mit einem Frühschoppen im Odeonsgarten zu Detmold. Gegen 10 1/4 Uhr vormittags erfolgte von hier aus der Abmarsch zum Festplatze. Mit Trommeln und Pfeifen, abwechselnd mit Gesang, im strammen und flotten Turnerschritt, zog die fröhliche Schaar von 150 bis 180 Turnern durch die Residenzstadt Detmold zum Hermann, welcher bereits nach 57 Minuten erreicht wurde. Die liebe Sonne schien bei dem Marsch recht freundlich heiß auf uns herab und soll an dieser Stelle durchaus nicht verschwiegen werden, daß besonders der letzte Aufstieg Manchem manchen Schweißtropfen gekostet hat. Sofort nach der Ankunft an der Grotenburg trat das Kampfgericht zusammen, welches in einer kurzen Sitzung die, in der Einladung mitgeteilten, Bedingungen für das Wettturnen durchberiet und die Riegenführer, sowie die Kampfrichter für die einzelnen Uebungen bestimmte. Von 12 bis 1 Uhr wurde das Mittagsmahl, eine kräftige und schmackhafte Turnerkost, bestehend aus Suppe, Gemüse und Braten, reichlich aufgetragen, eingenommen. Gegen Schluß des Essens erhob sich der Gauvertreter des Lippischen Gaues, Herr Hinrichs aus Detmold, hieß in kurzen, kernigen Worten die zur Feier erschienenen Turner herzlich willkommen und brachte ein dreifaches Gut Heil auf die deutsche Turnerei aus. Sodann traten die Turner auf der Bandelwiese zu den Freiübungen an. Vor Beginn derselben machte unser Gauvertreter, Herr Professor Dr. Schäfer in Soest, in einer kurzen, mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ansprache die Turner auf den heutigen 100jährigen Geburtstag Maßmanns, des treuesten Schüler Jahns, des Dichters unserer herrlichen Turnlieder aufmerksam, knüpfte hieran die Mahnung zur Vaterlandsliebe und schloß mit einem kräftigen, dreifachen Gut Heil auf Kaiser und Reich.
Die hierauf unter Leitung des Gauturnwartes des Lippischen Gaues, Herrn Schelper in Detmold, von etwa 150 Turnern vorgeführten Freiübungen - Seitheben und Kreisschwingen der Arme, in Verbindung mit Beinthätigkeiten, als Kniewippen und Kniebeugen, Auslagetritt und Ausfall - wurden im Ganzen gut ausfgeführt; die hin und wieder vorgekommenen, kleinen Unebenheiten und Fehler dürften Wohl auf Rechnung einzelner Turner auswärtiger Gaue zu setzen sein, welchen offenbar die Uebungen fremd waren. Besonders hervorzuheben und zu loben ist die große Ruhe und Sicherheit, mit welcher der Gauturnwart die Uebungen leitete und vorturnte.
Zum Wettturnen traten alsdann 104 Turner an, und zwar 41 aus den beiden festgebenden und 63 aus auswärtigen Gauen; letztere waren größtenteils aus weiter Ferne herbeigeeilt und kamen aus: Berge, Bielefeld, Böhlhorst, Brackwede, Bünde, Cassel, Dortmund, Essen, Gadderbaum-Bielefeld, Gelsenkirchen, Hamm a. d. Lippe, Herdecke, Herford, Minden, Oeynhausen, Rellinghausen und Westerbauer, und daß diese nicht die schlechtesten Kämpen waren, zeigt das unten mitgeteilte Resultat des Wettturnens, wonach sie sich von 42 Kränzen 33 errungen haben.
An dieses Wettturnen, welches von 1 bis 6 Uhr ununterbrochen dauerte, schloß sich sofort das Ringen an, zu welchem sich 16 Turner gestellten, welche in zwei Gruppen um den Preis kämpften.

Nach hartem Kampfe blieb Sieger in der einen Gruppe: Hugo Kumpmann vom Turnverein "Jahn" in Westerbauer und in der anderen Gruppe: Peitz vom Turnverein "Jahn" in Paderborn.
Während des Wettturnens konzertierte die Detmolder Kapelle vor der Grotenburg.
Zu diesem Konzert und dem Wettturnen fand sich nach und nach ein zahlreiches Publikum ein, welches mit lebhaftem Interesse dem Verlaufe des Wettkampfes, namentlich des Ringens folgte.
Die Bandelwiese, auf welcher das Turnen stattfand, war mit Draht umzäunt, was sich als recht praktisch erwies, da dieser nicht zerreißt, sich auch nicht wie hanfene Seile ausdehnt und auf den Erdboden drücken läßt, mithin jede Störung des Turnens durch die Zuschauer ausschließt. Es kann diese Einrichtung für Turnfeste nur empfohlen werden.
Zum Feste waren im ganzen etwa 300 Turner zusammen gekommen. Die Beteiligung aus unserem Gaue würde gewiß eine größere gewesen sein, wenn nicht schon vorher unser Gaufest gefeiert worden wäre.
Zum Wettturnen war zum ersten Male der Dreisprung - Hupf, Tritt, Sprung - genommen worden und 8 Meter als 0-Punkt bestimmt. Die höchste Punktzahl 10 wurde von 40 Turnern, also fast der Hälfte, erreicht. Es beweist dieses, daß die Mindestleistung erhöht werden muss. Achtmal wurden 9 1/2 und achtmal 9 Punkte gesprungen. Als höchste Leistung sind 14 Punkte erreicht.
Im Hochsprung dagegen hat nur einer 10 Punkte, und zwar F. Reher vom Turnverein "Eintracht" in Dortmund erreicht, welcher sogar noch die Schnur über 180 Centimeter tadellos übersprang. Zweimal wurden hier 9 Punkte und siebenmal 8 Punkte errungen.
Zum Steinstoßen - 16 1/2 kilo links und rechts gestoßen - wurde gleichfalls nur einmal - (von A. Bartsch, Turngemeinde Bielefeld) - die höchste Punktzahl erreicht; ferner einmal 9 3/4, einmal 9 1/4, einmal 8 3/4, einmal 8 Punkte.
Beim Hantelstemmen - 37 1/2 Kilo mit beiden Händen - erhielten fünfundzwanzig 10 Punkte.
Als höchste Leistung sind hier 32 Hebungen, also 16 Punkte festzustellen.
Viermal ist im Wettlaufen - 100 Meter hin und zurück - die Zahl 10 errungen; Höchstleistung 10 1/2 Punkte von G. Thomas in Cassel; einmal 9 1/2 Punkte, einmal 9, elfmal 8 1/2, zehnmal 8 Punkte.
Der erste Sieger errang den Kranz mit 45 3/4 Punkten, bei 50 erreichbaren Punkten; der letzte mit 33 1/2 Punkten.
Das Resultat des Wettturnens ist hiernach ein sehr gutes. In Folge des langandauernden, hartnäckigen Wettkampfes konnte die Verkündung der Sieger und die Preisverteilung erst gegen 7 1/2 Uhr vorgenommen werden.
Ein Teil der Sieger musste leider wegen ungünstiger Eisenbahnverbindung schon vorher die Heimreise antreten, ihnen wurden die Kränze später zugeschickt. Den anwesenden mit dem Eichenkranze geschmückten Siegern brachte Gauvertreter Hinrichs ein dreifaches Gut Heil aus, worauf die Feier mit dem Absingen des Maßmannschen Liedes: "Ich hab mich ergeben mit Herz und mit Hand" ihr Ende erreichte.
So ist dieses schöne, von prächtigem Sommerwetter begünstigte, an historischer Stelle gefeierte Fest in brüderlicher Eintracht und Liebe herrlich verlaufen und soll solches hinfort zum Wohle der Turnerei und unseres geliebten deutschen Vaterlandes alle zwei Jahre erneuert werden.

Gut Heil!

Stapelmann, Gaugeschäftsführer des Ostwestfälischen Gaues

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 3, September 1897