Ostwestfälischer Turngau
Freitag, 19.04.2024, 21:31:41
Das diesjährige Gausportfest in Lippstadt

"Es gilt dem Vaterlande, wenn wir zu spielen scheinen!" Dieser Ruf, der einst die römischen Jünglinge zum Spiele begeisterte, sollte auch in unserem Vaterlande mehr als bisher Widerhall finden. Immer noch stehen zu viel Volksgenossen ablehnend oder träge dem Turn- und Rasenspiel gegenüber, trotzdem unsere Besten schon lange erkannt haben, daß in ihm das sicherste Heilmittel gegen die entnervenden Erscheinungen der Gegenwart zu suchen ist. Schon der Altvater Jahn gab dem Spielgedanken breitesten Platz und Raum und wenn die Turnerschaft in den letzten 50 Jahren des Jahrhunderts ihn nicht so stark unterstrich, so will sie heute durch vermehrten Wetteifer das Vesäumte nachholen. Dem Turnspiele galt die Veranstaltung des Ostwestfälischen Turngaues, die in unserer Heimatstadt Lippstadt sicch zu einem alle Volkskreise aufrufenden Festakt gestaltete. Das Gauspielfest bewies wiederum, daß der Resonanzboden für diesen Gedanken im Volke vorhanden ist und daß es nur an den Behörden und den Vereinen liegt, das allgemeine Interesse zur begeisternden Tat umzuschaffen; denn trotz der ungünstigen Witterung, trotzdem fast jeder Sommersonntag ein Fest gebracht hatte, hatte das Gauspielfest wieder recht gute Beteiligung aus der Einwohnerschaft.

Schon am frühen Morgen wurde das Fest durch das Wecken es Trommlerkorps des TV "Germania" in den schmucken Uniformen eingeleitet.

Um 10 Uhr vormittags wurden auf dem Wilhelmsschulplatz unter der Leitung des Gauspielwarts Hönnemann, Lippstadt die Vorrundenspiele der C- und D-Klasse ausgetragen. Nachmittags 1.30 Uhr rückten die Turnvereine von 1848 und "Germania", dann TV Soest 1862, TV Anröchte, der mit eigenem Trommlerkorps eintraf, TV Geseke, TV Salzkotten, TV Brakel, Lippspringe, "Sennelager" und Werl, zum Teil mit Damenriege und Jugendriege, mit 6 Fahnen und 6 Wimpeln, und stellten sich auf dem Marktplatz. Nachdem sich die Vereine dem Lose nach gruppiert, hielt der Vorsitzende des Ostwestfälischen Turngaues, Herr Realgymnasial-Turnlehrer Meyer zu Köcker, Lippstadt von der Rathaustreppe eine Begrüßungsansprache, in der er allen Turnern und Turnerinnen herzlichen Willkommen bot. Die Turnerei sei nicht nur Leibesübung zur Ertüchtigung, sondern auch Pflege des Gemeinschaftsgedankens im Sinne des Turnvaters Jahn, bestimmt, die Jugend zu Bürgersinn und Vaterlandsliebe zu erziehen. Deshalb hofft die deutsche Turnerschaft auf allseitige Unterstützung für Turnen, Sport und Spiel auf dem grünen Rasen in gesundheitfördernder Tätigkeit. Dazu gehören aber auch Spielplätze; in den letzten Jahren hat man das auch erkannt, und die großen Stadien und Spielplätze in Berlin, Breslau, Nürnberg, Ulm, im Westen in Essen, Deutz, Crefeld, Köln, Düsseldorf legen Zeugnis dafür ab. Die kleineren Städte sind in der Lösung dieser Aufgaben noch weit zurück. Was nutzen alle Erlasse, wenn es an Spielplätzen fehlt? Was dem Künster die Werkstatt, das ist den Turnern und Spielern der Spielplatz. Möge der Sportplatzgedanke Gemeingut des ganzen Volkes werden; möge die Spielplatzfrage auch überall einer glücklichen Lösung entgegengeführt werden! (Auch in Lippstadt kommt diese Frage der Lösung näher, wie wir unten mitteilen können). Es geht um die Gesundung der Jugend und damit des ganzen deutschen Volkes. Es gilt dem Vaterland, wenn wir zu spielen scheinen, so heißt es bei uns, wie schon im Altertum bei den römischen Jünglingen. Den Turnern, dem deutschen Volk, dem deutschen Vaterlande ein dreifaches: Gut Heil!

Nachdem das "Gut Heil" verhallt, wurde dem trefflichen Redner großer Beifall auch aus der mehrhundertköpfigen Zuschauermenge zuteil.

Dann formierte man sich unter Vorantritt des "Germania"-Trommlerkorps und des Musikcorps "Harmonie" unter Kapellmeister Koschitzskis Leitung zum Festzuge durch die Straßen, die hier und da Fahnen- und Guirlandenschmuck aufwiesen, bis zum Sportplatz am Waldschlößchen, wo sich eine erfreulich starke Zuschauermenge eingefunden hatte, wenn auch die Zahl derselben ruhig hätte doppelt und dreifach so stark sein können.

Bald nahmen die Wettspiele ihren Anfang und die Leistungen im Handball, Faustball, Schlagball, Staffettenlauf und im Ringen wurden mit begeistertem Beifall vom Publikum aufgenommen. Die Wettkämpfe zogen sich bis in die achte Stunde hin. Die Resultate sind folgende:

Gaumeister im Schlagball wurde der Turnverein Soest mit 66 Bällen gegen Lippspringe mit 25 Bällen.

Der Lippstädter Turnverein 48 holte sich die Gaumeisterschaft im Faustball mit 45 Bällen, während Soest mit 50 Bällen unterlag. In der B-Klasse wurde Brakel gegen Germania Lippstadt Sieger mit 44 : 46 Bällen, in der C-Klasse Werl gegen Brakel mit 65 : 78. Das Handballspiel konnte Soest gegen Germania mit 3 : 2 für sich entscheiden. Die Stafetten-Läufe konnten wegen des starken Regens nicht alle ausgeführt werden. Die 1500 Meter olympische Staffette musste ausfallen. Die 400 Meter fliegende Staffette zwischen Lippstädter Turnverein 48 und TV Germania gewann Germania. Auch das Ringen, zu dem sich 10 Teilnehmer gemeldet hatten, musste bei strömendem Regen ausgetragen werden. Trotzdem blieb das Puplikum auf dem Platze und spendete reichlich Beifall. Sieger in der Leichtgewichtsklasse bis 125 Pfund wurde Menke, Germania, in der Mittelgewichtsklasse von 125-140 Pfd. Koenen, ebenfalls Germania.

Während der Sportkämpfe konzertierte die "Harmonie" in bekannt trefflicher Weise unter der sicheren und umsichtigen Leitung des Kapellmeisters Herrn Koschitzki.
Es ist erfreulich, wie sich das Musikkorps auf der Höhe befindet, da eben jeder mit Leib und Seele bei der Sache ist. Gegen 8 Uhr erfolgte dann im Waldschlößchen-Saal die Verkündigung der Sieger, die jedesmal mit jubelndem "Gut Heil" begrüßt wurden.

Ein fröhlicher Ball schloß das schön verlaufene und sportlich wertvolle Fest ab. Den Turnvereinen aber wie der gesamten Turnsache in der Hoffnung auf immer weitere Förderung und immer größere Teilnahme besonders unserer Jugend ein kräftiges "Gut Heil!" Das gesundheitsfördernde Turnen und sportliche Spiel muss zur Sache des gesamten deutschen Volkes werden zum Segen jedes Einzelnen wie des gesamten Vaterlandes!

Die Zuschauermenge belief sich auf zirka 2000.

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 122, Oktober 1925