Ostwestfälischer Turngau
Dienstag, 14.10.2025, 09:29:10
Gaufest

Am 19. und 20. Juni veranstaltete der Ostwestfälische Turngau sein 14. Gaufest in der alten Hansastadt Soest, das sich zu einem wahren Ehrentage für den Gau gestaltete. Die Vorarbeiten waren vom Turnverein "Jahn" Soest in mustergültiger Weise erledigt worden. Der Soester Schützenverein hatte in größter Liebenswürdigkeit den ganzen Schützenplatz mit seinen weiten Hallen und schattigen Spielplätzen den Turnern Ostwestfalens zur Verfügung gestellt. Stadtverwaltung und Bürger hatten in edler Begeisterung für die deutsche Turnsache fördernd und unterstützend mit Hand angelegt. Das Gauturnfest begann am Samstag nachmittag 5 Uhr mit einer Instruktionsstunde der Kampfrichter in der Turnhalle des Turnvereins "Jahn", in der die anwesenden Kampfrichter vom Gauturnwart Pilger, Paderborn über die Art der vorgeschriebenen Wettkampfübungen und ihre Ausführung belehrt und so auf ihr schwieriges Amt vorbereitet wurden. In der anschließenden Kampfrichtersitzung im Gasthof Topp wurden dann die Kampfrichter auf die einzelnen Geräte und Wettkampfübungen verteilt. Punkt halb 9 Uhr abends setzte sich ein imposanter Fackelzug vom Vereinslokal Andernach (Osttor) in Bewegung, der  zunächst auf dem großen Marktplatz halt machte. Hier führten 60 Turner vom Turnverein "Jahn" reigenartige Uebungen mit eingelegten Pyramiden aus, die den brausenden Beifall der nach Tausenden zählenden Zuschauermenge fanden. Am Jahn-Gedenkstein, Jakobitor, angelangt, fand eine kurze Huldigung unseres Turnvaters Jahn statt, indem der Gauvertreter Meyer zu Köcker, Lippstadt auf die große Bedeutung des deutschen Turnens Hinwies und mit einem Hoch auf die Deutsche Turnerschaft als Treugelöbnis, im Jahn'schen Sinne weiter an der körperlichen und sittlichen Ertüchtigung unseres Volkes zu wirken schloß. Erst gegen 10 Uhr endete der Fackelzug auf dem Schützenhof, wo unter dem Gesange froher Turnerlieder, Ansprachen, Ehrung der Mitglieder des Turnvereins "Jahn" für 25jährige treue Mitgliedschaft und turnerischen Vorführungen der Frauenabteilung die Turner bis 12 Uhr zusammenblieben. Sonntag früh gegen 7 1/2 Uhr, nachdem die Turner durch das liebenswürdige Entgegenkommen der Hochw. Geistlichkeit beider Konfessionen passende Gelegenheit zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflicht gehabt hatten, begann der Wettkampf. In der 1. Abteilung des Zwölfkampfes traten rund 50, in der 2. Abteilung 175 und zum Sechskampf 45 Turner an. An Reck, Barren und Pferd wurde flott geturnt, und manche mustergültige Leistung konnte das Herz eines alten Wettkämpfers erfreuen. In den volkstümlichen Uebungen wurden recht erfreuliche Resultate erzielt. Selbst der schärfste Kritiker mußte eingestehen, daß im Ostwestfälischen Gau Tapfer weiter gearbeitet worden war. Wiederholt mußten die Kampfrichter Ueberpunkte notieren. Um 2 Uhr mittags setzte sich der Festzug vom Osttor aus in Bewegung, an dem über 1000 Turner und Turnerinnen mit 18 Fahnen teilnahmen.
Auf dem Marktplatz fand die Begrüßung der fremden Turner durch den Beigeordneten Herrn Schulenburg in Vertretung des abwesenden Bürgermeisters und umgeben von den Herren des Ehrenausschusses statt, worauf Gauvertreter Meyer zu Köcker im Namen des Ostwestfälischen Gaues für die Begrüßungsworte und die freundliche und herzliche Aufnahme in Soest der gesamten Bürgerschaft dankte. Sein "Gut Heil" galt der Stadt und ihren Bürgern. Auf dem Festplatz angekommen, fanden alsbald die allgemeinen Freiübungen statt, an denen rund 210 Turner teilnahmen. Die Uebungen wurden nach Takt geturnt und mit Musik wiederholt. Der brausende Beifall der Zuschauermenge bezeugte, wie sehr die Uebungen gefallen hatten. In bunter Reihenfolge wechselten nun Sondervorführungen, Musterriegen- und Vereinsturnen miteinander ab.
Rühmend soll der Eifer der Frauenabteilungen der Turnvereine von Soest und Lippstadt erwähnt werden. Die Reigenübungen der Damenabteilung des Turnvereins Germania Lippstadt, die Keulenübungen der Frauenabteilung des Lippstädter Turnvereins und die schwedischen Volkstänze der Damenabteilung des Turnvereins Soest wurden von den Kampfrichtern mit dem Prädikat "sehr gut" bewertet. Ein Ringkampf beschloß die turnerischen Vorführungen. Aber das Ringen bedarf noch der sorgsamsten Pflege, wenn es wieder im Sinne der alten Griechen die Perle der Leibesübungen werden soll. Abschluß und Höhe des Festes bildete Verkündigung der Sieger gegen 7 Uhr abends, eingeleitet durch eine erhebende Ansprache des Gauvertreters, in der er auf die hohen und heiligen Aufgaben wahrer Leibesübungen für Volk und Vaterland hinwies. Der Dreiklang seiner Ausführungen war: Echte Leibesübung erhöht das Selbstvertrauen, stärkt und fördert die Schaffensfreudigkeit, erzieht den Willen zum Leben, zur freudigen Lebensbejahung. Wer noch abseits steht, der trete ein in die Reihen der deutschen Turnerschaft, er erstehe Werte, die das Leben lebenswert machen.
Sein "Gut Heil" galt dem Wiederaufstieg des deutschen Volkes und Vaterlandes.

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 104, 8. Juli 1920