Ostwestfälischer Turngau
Donnerstag, 25.04.2024, 09:42:44
Bericht über das VI. Gaufest des Ostwestfälischen Turngaues zu Geseke

am 2. Juni 1901

Am Sonntag, den 2. Juli galt es, die Turnerschaft des ostwestfälischen Turngaues zu ihrem VI. Gaufeste in Geseke zu begrüßen, ihr heißes Ringen im Wettkampfe um den Siegeskranz mit Interesse zu verfolgen. In hellen Schaaren kamen sie herbeigezogen (zählten wir doch nicht weniger als 18 Vereine mit 500 Turnern), und zur Ehre sei es gesagt, Sie haben eine Aufnahme gefunden, wie sie herzlicher und festlicher nicht zu erwarten war. Schon der am Samstag-Abend im Vereinslokale stattfindende Kommers nach dem Zapfenstreich zeigte, daß der altgermanischen Tugend der Gastfreundschaft ein Plätzchen in der alten Gesecca gewahrt geblieben ist, daß aber auch Frohsinn und Gemütlichkeit in Geseke gelegentlich zu vollstem Rechte kommen.
In kerniger Rede begrüßte und bewillkommnete Herr Bürgermeister Flamm die erschienen Gäste, insbesondere die Gauvertreter Herrn Professor Dr. Schäfer und den Gau-Geschäftsführer Broschinski, Soest. Frohbewegt, echt deutsch waren die Worte des Dankes, die der Gauvertreter erwiderte. Der Redner entrollte in markigen Worten die hehre Aufgabe des deutschen Turnwesens früherer und heutiger Zeit. Er zeigte, wie in der Zeit der Bedrängnis durch den Uebermut des stolzen und mächtigen Korsen der Turnvater Jahn zu der glänzenden Gruppe der Männer gehörte, die zur Wiedergeburt und Erstarkung unseres Vaterlandes in erster Linie beigetragen haben. Sollen aber die unter schweren Opfern erworbenen Güter unseres Volkes nicht verloren gehen in unserer ernsten Zeit, dann muss dem Vaterlande ein Geschlecht von Männern erzogen werden, das befähigt und gewillt ist, die uns umlauernden Feinde mutig und auf eigene Kraft vertrauend abzuwehren. - Die durch solche Worte hervorgerufene begeisterte Stimmung wurde noch gehoben durch die von der rühmlichst bekannten Kapelle des 13. Infanterie-Regiments unter persönlicher Leitung des Musikdirektors Herrn Grawert gelieferte Konzertmusik. Mit Rücksicht auf die Anforderungen, die der eigentliche Festtag an die erschienenen Turner stellen würde, konnte der Kommers leider nicht, wie sonst üblich, ausgedehnt werden. Inzwischen hatte der Gau-Geschäftsführer Broschinski in launiger Weise auch der vortrefflichen Leistungen des Geseker Trommlerchors anerkennend gedacht. Am andern Morgen gegen 5 Uhr verkündete der Weckruf den eigentlichen Festtag. Der Himmel zeigte anfangs ein recht düsteres Gesicht, allein gleich nachmittags durchbrach die Sonne das Gewölke. Schon am frühen Morgen trafen die letzten Wettturner von allen Richtungen hierselbst ein von den hiesigen Turnern aufs freundlichste empfangen und zum Festplatz geleitet. Nach einer hier stattgehabten Beratung des vollzählig erschienen Gauturnrats in Gemeinschaft mit den Kampfrichtern übernahm der I. Gauturnwart Rhode als Obmann die Leitung der turnerischen Vorführungen. Programmgemäß begann das Wettturnen gegen 11 Uhr, dauerte leider aber etwas zu lange, sodass nur wenig Zeit zu der Mittagsrast übrig blieb.
Nachdem gegen 3 Uhr das gemeinschaftliche Essen beendet, nahm der imposante Festzug am Vereinslokale Aufstellung und zwar in folgender Reihenfolge: Musikkorps, Gauturnrat, Fest- und Geschäfts-Ausschuß, Kampfgericht, die Turnvereine von Altenbeken, Lippstadt, Borgeln, Turnverein Soest, Driburg, Amelunxen, Neuhaus, Altengeseke, Germania Paderborn, Jahn Paderborn, Steinheim, Werl, Jahn Soest, Lippspringe, Elsen, Salzkotten, Brakel, und den Schluß bildete der Geseker Turnverein. Vor dem Rathause angekommen, begrüßte der Vorsitzende des Festausschusses, Herr Bürgermeister Flamm, die Festteilnehmer und sagte etwa Folgendes: Es gereiche ihm zur großen Freude und Ehre, die zum 6. ostwestfälischen Gauturnfest so zahlreich erschienenen Turner begrüßen zu können; er heiße sie im Namen des Festausschusses und der Stadt aufs herzlichste willkommen und spreche seinen Dank für ihr Erscheinen und ihre Beteiligung an dem Feste aus. Frisch, fromm, froh, frei, das seien die Worte, die die deutsche Turnerschaft sich auf ihre Fahne geschrieben und frisch, fromm, froh, frei, so sähe es auch aus in ihrem Herzen.
Um den echten Mannesmut zu stählen, um die Körperkraft zu erproben, um ein gefundes, wetterfestes Geschlecht zu erziehen, dazu sind Sie, so führte Redner etwa weiter aus, in ihren Gauen zusammengetreten und haben sich vereinigt.
Ob sie nun zur Winterzeit in emsiger Arbeit Ihre Kräfte messen, oder ob Sie hinausziehen in den knospenden Frühling zur fröhlichen Turnfahrt, oder ob Sie wie heute das Erreichte und Errungene zeigen, das deutsche Volk achtet und schätzt ihr Streben, seit es ihr Wollen Begriffen, seit es Ihren Einfluß gefühlt, seit es Ihr Können geschaut hat.
Und wie könnte es anders sein. Sind doch, wie der Vorsitzende des Gauturnrats bei der gestrigen Vorfeier in so trefflichen Worten des Näheren ausführte, sind doch die Ziele, die die deutsche Turnerschaft nach ihrem Grungesetze sich gesteckt hat, von der weitgehendsten Bedeutung für unser ganzes Volksleben und für die Zukunft unseres Vaterlandes.
Ja das Vaterland stark und wehrfest zu machen und zu erhalten, ihm in guten und bösen Tagen mit aller Treue anzuhangen, das sind Ihre Ziele, Ihre Bestrebungen.
Redner hob alsdann hervor, daß die Turner mit derselben Berechtigung wie die deutschen Krieger sich zu einem festen Bunde zusammengeschlossen hätten, und daß man, wo Kraft und Mannesmut sich zeigten, beiden zujubeln müsse; denn Kraft sei ein Zeichen der Stärke, und das Wort Mannesmut habe von jeher einen guten Klang gehabt in den deutschen Landen. Redner wies darauf hin, wie es nun an uns Allen liege, die gute Sache zu fördern und zu unterstützen mit Wort und That, wie und wo immer man könne, man müsse klar und deutlich seine Meinung äußern, man müsse eifriger Anhänger für die edle Sache werden, wir hätten kein weiches, verzärteltes Geschlecht nötig, denn die Zeiten seien ernst; wir brauchten Männer, die, wenn dereinst des Kaisers Ruf durch die Gaue erschallen sollte, ihr Leben freudig für des Vaterlandes Glück und Ehre einsetzen würden.
Man möge dessen stets eingedenk sein, man möge es sich als Mahnung dienen lassen, deutsche Tugend, deutsche Kraft und deutschen Mut stets als herrliche Güter zu vereinen und hochzuhalten. Redner fordert auf, bevor zur eigentlichen Festfeier geschritten würde, die Blicke hinzulenken zu unserm Kaiserlichen Herrn, dem Schirmherrn des teuern Vaterlandes, der in Jugendfrische mit seltener Festigkeit und Energie Krone und Zepter des gewaltigen Reiches zu führen verstehe; geben Sie, so schloß Redner, Ihrer Liebe und Ergebenheit, Ihrer Treue und Verehrung zu unserem thatkräftigen Herrscher dadurch Ausdruck, daß Sie einstimmen in den Ruf: "Se. Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König Wilhelm II., er lebe Hoch! Hoch! Hoch!" - Jubelnd stimmten die zahlreich Versammelten in das dreimal weithinschallende Hoch ein. Nach Absingung der Nationalhymne dankte der Gauvertreter Herr Professor Dr. Schäfer in kurzen Worten für den herrlichen Empfang und endete seine Rede mit einem dreimaligen kräftigen "Gut Heil" auf die Stadt Geseke. Nunmehr setzte sich der Festzug wieder in Bewegung zum Festplatze, woselbst sich gar bald ein echt turnerisches Treiben entwickelte. Erst nach 9 Uhr Abends konnte die Preisverteilung stattfinden.
In der ersten Abteilung befanden sich nur solche Turner, die schon einen Preis auf früheren Gaufesten errungen hatten.
Das Nähere siehe in den nachfolgenden Tabellen. Beim Preis-Ringkampf blieb Jonat, Salzkotten Sieger.
Der Festplatz war von Zuschauern reichlich besucht.
Auch ließ hier die Bewirtung nichts zu wünschen übrig.
Zu weitern Vermerken ist in dieser Blatt-Nummer weder Raum, noch der geeignete Ort; darum schließt der Gau-Geschäftsführer, der zu seiner Berichterstattung nach Verabredung den betreffenden Festbericht aus Nr. 45 der "Geseker Zeitung" zu Grunde gelegt, mit dem Bemerken, daß sich die Stadt Geseke den Dank des Ostwestfälischen Turngaues für die Veranstaltung des schönen Turnfestes für immer gesichert hat.

Broschinski

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau No. 24", 1901