Ostwestfälischer Turngau
Dienstag, 23.04.2024, 10:28:00
Gauvorturnertag in Paderborn am 8. Mai

Das prachtvolle Frühlingswetter des 2. Maiensonntags war uns ein Symbol für die gute und schöne Sache der edlen Turnkunst. Ueberall zitterten die Sonnenstrahlen durch das üppige, maienfrische Grün, das in herrlicher Frische Bäume und Sträucher schmückte. Sonne im Herzen und Freude auf den Gesichtern aber auch bei allen denen, die der Einladung zum 55. Gauvorturnertage gefolgt waren und sich mittags in der geräumigen Turnhalle des Turnvereins "Jahn" in der Theodorschule in Paderborn einfanden. Nach kurzer Begrüßung ließ der wackere Gauturnwart Pilger antreten. 45 Turngenossen hatten sich eingefunden, um an diesem ersten Lehrgang für Kampfrichter teilzunehmen. In einleitenden Worten machte Herr Pilger auf die neuen Wettkampfbestimmungen der Deutschen Turnerschaft aufmerksam, indem er dabei die wesentlichen Abweichungen von den bisher geltenden hervorhob und die Unterschiede der Wertung bei Pflicht- und Kürübungen klarstellte. Er zeigte, wie zu werten und worauf bei der Beurteilung das Gewicht zu legen sei. Aufmerksam folgten alle seinen klaren Ausführungen, an die sich nun sogleich die praktischen Belehrungen anschlossen. Es wurden von einigen Turngenossen des Turnvereins "Jahn" an Reck, am Barren und am Pferd Uebungen vorgeführt, die von den Anwesenden zu werten waren. Ein reger Gedankenaustausch setzte ein; doch zeigte sich gar bald trotz der Verschiedenartigkeit der Meinungen, daß die angehenden Kampfrichter im großen und ganzen Einigkeit beseelte und alle ihr Urteil als Sachkenner wohl begründen konnten. Als der Lehrgang gegen 3 Uhr sich seinem Ende näherte, erklärte sich Herr Pilger daher mit seinen gelehrigen Schülern wohl zufrieden, bestimmte aber, daß die Kampfrichter am Abend vor dem Gaufest noch einmal zu einem ganz besonders eingehenden Lehrgang zusammen kommen müßten, bei dem auch noch die Wertung beim Musterriegenturnen besprochen werden würde.

An diesen Lehrgang schloß sich unmittelbar der Gauvorturnertag an. Dieser wurde 3 1/4 Uhr durch den Gauvertreter Meyer zu Köcker mit der Mitteilung von dem diesjährigen staatlichen Lehrgang für Turnwarte und Vorturner an der Landesturnanstalt in Spandau eröffnet, wobei er die Erwartung äußerte, daß dieser besonders von den Mitgliedern der Vorturnervereinigung unseres Gaues besucht werden würde. Bei Feststellung der Anwesenden ergab sich eine Teilnehmerzahl von 58, mit denen Meister Pilger zunächst tadellos ausgeführte Ordnungsübungen vornahm und daran anschließend die allgemeinen Freiübungen für das bevorstehende Gaufest durchturnte. Nach etwa einer Stunde folgten die Geräteübungen, bei denen sich ein reger Wettstreit bemerkbar machte.
Einer suchte vom anderen zu lernen, jeder gab sein Bestes, alle vereinte die anregende, zielbewußte Führung unseres unermüdlichen Gauturnwarts, der unmittelbar nach Beendigung des Turnens um 6 Uhr die Vorturnersitzung im Vereinszimmer des Turnvereins "Jahn" eröffnete. Zur Pflege des Ordnungssinnes empfahl er, an jedem Turnabend regelmäßig Freiübungen machen zu lassen.
Turngenosse Schloesser erstattete mit kurzen, knappen Worten Bericht über die Gauvorturnerstunde und der Gauvertreter sprach sich eingehend über die Pflege und den erziehlichen Wert der Ordnungsübungen aus. Gauturnwart Pilger entwickelte in längerer Ausführung seine Gedanken über Frei- und Ordnungsübungen, sowie über den Aufmarsch. Dann unterhielt man sich über zweckmäßige und gleichartige Turnkleidung. Ein weiteres Thema bildete die Kürfreiübung, die für die 1. Abteilung als wünschenswert bezeichnet wurde. Bei der Besprechung der Geräteübungen kam es zu einer recht eingehenden Aussprache über das Turnen am Pferd.
Durch Rede und Gegenrede wurde manche Frage geklärt, vor allem auch die, ob laut gewertet werden solle. Man einigte sich dahin, Abstand davon zu nehmen, da manche Bedenken dagegen laut wurden.
Als schließlich noch über die Erlangung des Turn- und Sportabzeichens gesprochen war, setzte sich nach Schluß der Vorturnersitzung der Gauturnrat um 8 Uhr mit den Vertretern des festgebenden Vereins zu einer weiteren Beratung zusammen, in der Einzelheiten des Gauturnfestes besprochen und festgelegt wurden.

Schloesser

entnommen aus "Blätter für den Ostwestfälischen Turngau" No. 108, 15. Juli 1921